Hartmut Haberland

Da ich mein Studium der Germanistik (und später Linguistik) in Berlin im Jahre 1966 aufnahm, als sich die Studentenbewegung das erste Mal artikulierte, ist es nicht verwunderlich, daß ich mich von Anfang an dafür interessiert habe, wie die Sprache in einem größeren, gesellschaftlichen Zusammenhang funktioniert. Zugleich war ich allerdings auch daran interessiert, wieso die Sprache die Funktionen, die sie in der Gesellschaft hat, auch ausfüllen kann: So bildeten sich meine drei wichtigsten Arbeitsgebeite heraus:

Die Schulgrammatik war mir von Anfang an suspekt: sie nahm nicht auf die kommunikativen Situationen Bezug. Das Studium der Geschichte der Grammatik öffnete mir die Augen dafür, daß grammatische Kategorien kontingent, also historisch bedingt sind; und das, was wir heute als 'traditionelle Grammatik' oder 'Schulgrammatik' kennen, ist zum großen Teil ein Produkt des 19. Jahrhunderts.

Einer meiner Interessenschwerpunkte liegt deshalb in der Pragmatik, dem Studium des Sprachgebrauchs, d.h. der Sprache im Kontext. Ich habe mich dort vor allem mit dem Tempus beschäftigt, insbesondere dem Gebrauch der Tempora in zwei in gewisser Weise so ähnlichen Sprachen wie dem Dänischen und dem Deutschen. Dieses Thema wird mich wohl noch eine Weile beschäftigen.

In einem weiteren Sinne habe ich mich mit der Rolle des Kontexts (situationeller Kontext und Diskurs'ko'text) im Sprachgebrauch befaßt. Sowohl die Sprechsituation als auch der Diskurszusammenhang spielen eine wichtige Rolle für die Tempusbedeutungen und den Tempusgebrauch: die Sprechsituation, insofern als sich der Sprecher mit verschiedenen Tempusformen auf verschiedene objektive Merkmale der Situation bezieht und sie in verschiedene subjektive Perspektiven setzt; der Diskurszusammenhang, weil die verschiedenen Tempusformen ihre spezifischen Rollen beim Aufbau einer Diskurskohärenz haben.

Neben der Sprache haben mich auch immer die Sprachen fasziniert: ihre Vielfalt, die zum einen unsere ethnozentrischen Vorstellungen von der Normalität unserer Muttersprachen in Frage stellt, und auch die Gemeinsamkeiten, die die uns bekannten Sprachen trotz ihrer Unterschiede verbinden, und die auf Ähnlichkeiten zwischen den kommunikativen Bedürfnissen ihrer Sprecher zurückgehen müssen. Von 1990-1994 habe ich an einem Projekt der European Science Foundation (Straßburg) zur Typologie europäischer Sprachen, EUROTYP, teilgenommen. In diesem Projekt bin ich Mitglied einer Arbeitsgruppe gewesen, die die unterschiedlichen Funktionen adverbialer Ausdrücke in den Sprachen Europas untersucht hat.

In der Soziolinguistik habe ich mich in den letzten Jahren mit der Rolle der sogenannten 'kleinen Sprachen' Europas beschäftigt, insbesondere der des Dänischen in der offiziellen und inoffiziellen Sprachpolitik der EU.

Schließlich habe ich in den letzten Jahren an zwei Tagungen zum Thema 'Kognitive Technologie' teilgenommen, die sich mit der Kommunikation zwischen Menschen und Maschinen befaßt haben, und in meinen Beiträgen versucht, die Rolle der Pragmatik bei der Analyse und Entwicklung von Mensch-Maschine-Kommunikationsprozessen zu erläutern. In diesem Zusammenhang habe ich auch angefangen, mich kritisch mit der Begriff der 'Natürlichkeit' (wie in 'natürliche Sprache') auseinanderzusetzen.

Ich habe 1977 mit Jacob Mey (Odense, jetzt professor emeritus) das Journal of Pragmatics gegründet und bin seitdem Redakteur der Zeitschrift.

Zu den genannten Themen habe ich eine Reihe von Aufsätzen veröffentlicht, die in meiner Publikationsliste nachzusehen sind. Weitere Einzelheiten (u.a. Teilnahme an Konferenzen und auswärtige Vorträge) sind in den Jahresberichten unseres Instituts zu finden.